Nur ein Tisch und zwei Stühle auf der Bühne des KGS-Forums bildeten vorgestern die Kulisse für einen Geschichtsunterricht der besonderen Art: Das Klecks-Theater Hannover inszenierte in einer Lesung die Verhörprotokolle im Vorfeld des Gerichtsverfahrens gegen den Kriegsverbrecher Adolf Eichmann – und mehr als 100 Schüler hörten gebannt zu.
Die Schauspieler Harald Schandry und Bernd Suholt lasen Passagen dieses Verhörs vor – es hat insgesamt 275 Stunden gedauert – und sie untermalten diese Auszüge mit Zitaten aus Originalquellen,
wie Zeitungsartikeln, Liedtexten und Anordnungen der NSDAP. Sie zeichneten darin das Bild eines Mannes, der den millionenfachen Mord an Juden während des Zweiten Weltkriegs maßgeblich organisiert
hat. „Mit seiner akribischen Art hat Eichmann diese Vernichtungsmaschinerie erst möglich gemacht. Er ist der verharmlosende Prototyp des Schreibtischtäters“, sagte Suholt in der anschließenden
Diskussionsrunde. Doch Eichmann legte während der Verhöre und dem späteren Prozess eine andere Selbstwahrnehmung an den Tag. Er bezeichnete die Vorwürfe als Lügen, da er zwar die Deportation der
Juden organisiert, aber nicht die Tötung vollstreckt habe. Eichmann verwies auch mehrfach auf die militärische Hierarchie. „Wenn ich einen Führerbefehl ignoriert hätte, hätte ich gleich zur
Pistole greifen können“, wird er zitiert. „Es war hochspannend, mal die Täterperspektive zu sehen“, sagte der Schüler Dave Graupner in Anschluss an das Stück. „Das sich jemand daran beteiligt und
danach so lügt, ist schockierend“, ergänzte Mitschülerin Julia Händlmayer.
(Knoche/haz)
Kommentar schreiben