Es muss schon etwas sehr besonderes sein, wenn Zehntklässler mucksmäuschenstill im Klassenzimmer sitzen und gebannt zwei Herren und zwei Damen jenseits der Achtzig lauschen: Die Schüler der KGS haben am Montag vier Gäste zu Besuch gehabt, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Kinder waren.
Was die Senioren zu erzählen hatten, beeindruckte die Schüler tief. Die Not nach Kriegsende in der deutschen Bevölkerung war groß, es fehlte an Essen, Kleidung, Wohnraum und Material zum Heizen. Die Essensrationen reichten vorne und hinten nicht. „Davon zu überleben war ein Witz. Viele Menschen sind in der Zeit verhungert“, sagte der heute in Isernhagen wohnende Wolfgang Müller-Judex.
Um über die Runden zu kommen gehörte es damals zum Alltag vieler Kinder und Jugendlicher, sich benötigte Dinge zu „organisieren“ – ob legal, illegal oder auf dem Schwarzmarkt. Hans-Helmut Kruse musste als Junge seinen Vater oft beim „Organisieren“ begleiten: „Ich habe als Kind Schmiere gestanden und meinen Vater im Notfall gewarnt“.
Die Familie von Anette Winkelmüller hingegen hatte sich für das erste Weihnachtsfest nach dem Krieg ein Kaninchen beschafft, das ihnen ausgerechnet einen Tag vor dem Fest geklaut wurde. „Da wir damals keine Geschenke bekamen, war das für uns eine große Enttäuschung“, sagte Winkelmüller.
Für die Schüler war die Lehrstunde mit den Senioren eine willkommene Abwechslung zum normalen Geschichtsunterricht: „Es war viel anschaulicher und fesselnder als in den Lehrbüchern“, sagte etwa Katharina Haller. Und ihre Mitschülerin Pia Alide Oberheide zeigte sich beeindruckt über die tiefe Emotionalität in den Erzählungen: „Das berührt einen schon. Ich hatte teilweise Gänsehaut“. (Knoche/haz)