Landesschulbehörde ordnet weitere Lehrkräfte an andere Schulen ab. Elternrat übt Kritik.
Die Sommerferien stehen vor der Tür – doch die Vorfreude auf die schönste Zeit des Jahres ist bei Schülern und Lehrern der Kooperativen Gesamtschule Sehnde dahin. Weil die Niedersächsische Landesschulbehörde noch mehr Lehrer an andere Schulen abgeordnet hat, fehlen der KGS im nächsten Schuljahr 106 Lehrerstunden. Die Folge: Da der Pflichtunterricht nicht gekürzt werden darf, können alle von Lehrkräften bislang betreuten Arbeitsgemeinschaften nach den Sommerferien nicht mehr stattfinden. Das hat Schulleiterin Sandra Heidrich mitgeteilt. Die Landesschulbehörde rechtfertigt ihre Entscheidung damit, dass die KGS auch im ersten Halbjahr des kommenden Schuljahres besser versorgt sei als viele der anderen weiterführenden Schulen in der Region Hannover. „Selbst nach Abzug der Stunden, mit denen die KGS andere Schulen unterstützen wird“, sagt Pressesprecherin Bianca Schöneich.
In sozialen Netzwerken und Gruppen kursiert bereits ein Schreiben des Schulelternrats. Darin kritisiert das Gremium, dass die Unterrichtsversorgung bei der KGS „schon wieder schlechter wird“ und die Entscheidung der Landesschulbehörde „sehr kurzfristig“ komme. Bereits im noch laufenden Halbjahr seien 56 Lehrerstunden an Grundschulen abgeordnet worden. Die Schule könne die gekürzten Stunden in dieser Größenordnung nun aber nicht mehr auffangen – etwa durch Mehrarbeit der Lehrkräfte. Der AG-Bereich sei für den internen Zusammenhalt sehr wichtig, der Einschnitt entsprechend groß, bestätigt Heidrich. „Das ist deshalb keine leichte Entscheidung gewesen“, sagt sie.
Die einzige Möglichkeit sei das ersatzlose Streichen von weiterführenden Angeboten, die über den Regelunterricht hinausgingen. Das betreffe außer den AGs aber etwa auch den pädagogischen Trainingsraum, kritisiert der Elternrat. Dieser ist seit Jahren für Schüler gedacht, die mit Lernschwierigkeiten kämpfen, eine Beratung oder wegen Störung des Unterrichts eine kontrollierte Auszeit brauchen. „Die schulische Erziehung findet eben nicht nur im Regelunterricht statt“, heißt es in dem an alle Eltern gerichteten Schreiben.
Stadtweit werden Schüler und Eltern bereits in sozialen Netzwerken und Gruppen aufgefordert, sich zu wehren und sich bei der Landesschulbehörde per E-Mail oder Anruf zu beschweren, um den Wegfall der 17 Arbeitsgemeinschaften vielleicht doch noch aufhalten zu können. „Danke Landesschulbehörde! Alle AGs futsch!“, ist der Aufruf betitelt. Auch die Schülervertretung unterstützt die Aktion, um sich der „katastrophalen Entwicklung entgegenzustellen“.
Die Liste der gestrichenen AGs ist lang: Rollenspiele seien gestorben, heißt es dort, Rennwagen mit Solarantrieb stünden im Schatten, der Zirkus sei weggezaubert, die Schülerband habe ausgespielt, die Roboter seien auseinandergefallen, Sprachzertifikate haben sich versprochen, und das Studio mit Licht und Ton bleibe dunkel. Auch das Sportangebot der FSJ-Kraft (Freiwilliges Soziales Jahr) entfällt. Nur die von einer externen Betreuerin angebotene Mode-AG und Zeichnen-AG – und damit lediglich noch zwei von insgesamt 19 – blieben bestehen, rechnet Rüdiger Streilein, Fachbereichsleiter Sport und Ganztag, vor. „Die Schüler können damit nicht mehr ihre Stärken in kreativen Bereichen ausleben, einige Mitglieder der Chor-AG hatten Tränen in den Augen“, sagt er. Zudem hätten sich auch die Sozialarbeiter solidarisch gezeigt und böten nun keine AGs wie etwa eine Mädchen-AG oder Outdoor-AG mit Geocaching mehr an.
Für Schüler und Lehrer falle damit ein attraktiver Teil des Schulalltags weg und für die Eltern ein Teil der Betreuungszeiten am Nachmittag, führt der Schulelternrat weiter auf. Zudem führe das zum Wegfall von Zertifikaten für Projekte, bei denen – wie etwa für die „Umweltschule in Europa“ – Projektarbeit verlangt wird. Das Zertifikat wird ausgerechnet von der Landesschulbehörde verliehen. „Wir sagen: Es reicht“, lautet der Appell auf einem Flyer, der derzeit in Sehnde verteilt wird. „Die Kürzungen zerstören die Schulkultur und sind ein Schlag ins Gesicht der Schüler, Eltern und Lehrer.“
Die Landesschulbehörde verweist „bei allem Verständnis für die Belastung und das Unverständnis in der Elternschaft, bei den Schülern sowie bei den Lehrkräften“ darauf, dass sie die Gesamtsituation der Schulen in der Region Hannover im Blick behalten und bei der Gesamtversorgung eine gleichmäßige Unterrichtsversorgung sicherstellen müsse. „Oberste Priorität liegt dabei auf der Sicherstellung des Pflichtunterrichts sowie der Verlässlichkeit der Grundschulen“, so Schöneich. (Oliver Kühn/HAZ)